Die Bundesregierung möchte mit dem Gesetzesentwurf „Zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ erstmals ein Gesetz auf den Weg bringen, das es den Staatsanwaltschaften ermöglicht, Ermittlungen unmittelbar gegen ein Unternehmen einzuleiten. Bislang konnte gegen das Unternehmen selbst nur ein Bußgeld in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren verhängt werden. Strafverfahren konnten allenfalls gegen die handelnden Personen angestrengt werden.
Justizministerin Eva Kühne-Hörmann erklärte dazu: „Unser gemeinsames Ziel sollte sein, die Wirtschaft und deren Integrität zu stärken. Der Abgas- und jüngst der Wirecard-Skandal haben doch einen faden Beigeschmack hinterlassen. Diese Straftaten schädigen sowohl das einzelne Unternehmen als auch den Wirtschaftsstandort Deutschland. Deswegen ist die konsequente Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität sehr wichtig. Das - will auch der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft erreichen. Der Entwurf geht allerdings an diesem Ziel vorbei, ist übereilt und unausgereift.“
„Ich rufe die Bundesjustizministerin daher auf, den Gesetzentwurf entsprechend nachzubessern oder – besser noch – zugunsten einer sorgfältigen und unter ernst gemeinter Beteiligung der Länder und anderer Interessensträger zu erarbeitenden Alternative zurückzuziehen. Deswegen haben wir vonseiten der Justizministerinnen und Justizminister der Union, aber auch anderer Ressorts, dazu aufgerufen, den Gesetzentwurf nachzubessern, unter anderem in einem gemeinsamen Brief an die Bundeskanzlerin“, so Kühne-Hörmann.
Bedacht statt Aktionismus
Ein weiterer Kritikpunkt der hessischen Justizministerin ist, dass die Sanktion wirtschaftlich letztlich nicht von den verantwortlichen Tätern getragen werden muss: „Die, deren Fehlverhalten zu einer Sanktion führen würde, müssen häufig das Unternehmen verlassen. Die Strafe verbleibt aber in dem Unternehmen und ist letztlich von den redlichen Mitarbeitern, Gesellschaftern und Aktionären, die dem Unternehmen über die Taten hinaus erhalten bleiben, zu zahlen. Und dies betrifft vor allem den Mittelstand.“
Kühne-Hörmann plädierte dafür, eine Reform auf der jetzigen Gesetzeslage aufzubauen: „Wir brauchen hier neue Regeln, das ist klar, aber nicht wie in dem Entwurf vorgesehen. Vielmehr muss gerade in der Pandemie behutsam und umsichtig an diese Materie herangegangen werden. Wieso das Rad neu erfinden? Die Behörden haben jahrzehntelang gute Erfahrungen mit dem Ordnungswidrigkeitenrecht gemacht. Gerade das dort geltende Opportunitätsprinzip ist sachgerecht, weil es den Verfolgungsbehörden ermöglicht, in Fällen, in denen nach pflichtgemäßem Ermessen eine Ahndung nicht erforderlich erscheint, von der Einleitung eines Bußgeldverfahrens abzusehen. Der den Verfolgungsbehörden eingeräumte Ermessenspielraum hat sich in der Praxis bewährt und wurde insbesondere von den Staatsanwaltschaften in Hessen immer verantwortungsvoll und mit Augenmaß genutzt. Diese flexible Lösung gibt der Gesetzesentwurf nicht her – sollte aber dringend erhalten bleiben.“